Der langjährige Partner und Freund Pater Pierre T. Roy, der über 12 Jahre die Menschenrechtsarbeit in der Diözese von Nova Iguaçu/Brasilien koordinierte, erfuhr von den schlimmen Nachrichten über das verheerende Erdbeben in Haiti in seiner Wohnung im Pfarrhaus der St. Marien-Gemeinde in Nordhorn, wo er seit 14 Monaten als Priester im pastoralen Dienst der Gemeinde tätig ist. Der Aktionskreis Pater Beda ist eng mit Pater Roy verbunden und half ihm auch dabei, den Kontakt zur Diözese Osnabrück aufzubauen. Bei vielen Freunden des Aktionskreises ist Pater Roy gut bekannt und deshalb hier auch zwei Berichte in diesem Zusammenhang: Zunächst Auszüge aus einem Informationsschreiben von Pater Roy über die Ereignisse:
“…..am Dienstag (12.01.) hatte ich gerade noch Kontakt über das Internet mit Haiti, als das Erdbeben geschah. Habe noch direkt davon erfahren und zugleich war dann der Kontakt unterbrochen.Ich habe immer und immer wieder versucht Kontakt aufzunehmen, auch mit Schwester Dona, mit der ich 30 Minuten vorher noch gesprochen hatte und mit anderen, mit denen ich gerade noch im Kontakt stand.
Erst wollte ich es gar nicht wahr haben, aber die Realität holt jeden ein. Auf den Seiten des Internets aus der ganzen Welt, ausser aus Haiti selbst, wurde schon von einer der größten Katastrophen weltweit gesprochen. Ab diesem Zeitpunkt, schon mit dem Gefühl eines Tsunamis im Herzen, habe ich intensiv versucht, Kontakt mit meiner Mutter und mit meiner ganzen Familie aufzunehmen.
Am Mittwoch Nachmittag (13.01.), rund 16 Stunden später habe ich es geschafft, für 30 Sekunden mit meinem Bruder zu sprechen, der mir versicherte, dass meine Mutter überlebt habe. Er versicherte mir, dass er Informationen bekommen habe, dass mein anderer Bruder, meine Schwester und die 6-jährige Tochter wohlauf seien und auch meine Mutter mit ihren 73 Jahren. Bis heute wissen wir nicht mehr über die Verwandten aus den anderen Teilen Haitis, wie z.B. meiner Heimatstadt Jacmel, die zu 80% zerstört ist.
Erst am vierten Tag, am Freitag habe ich es geschafft, mit dem anderen Bruder und auch mit meiner Schwester zu sprechen. Meine Schwester, die eine gehobene Stellung im öffentlichen Dienst hat, erzählte mir: “Wir leben und schlafen alle auf der Strasse, ohne Dach über dem Kopf, es fehlt an allem. Was wir gerettet haben ist unseren Atem, wir atmen noch und das auch schlecht vor lauter Staub, aber dafür wollen wir Gott danken. Ich habe gefragt, ob sie zu essen haben und sie sagte mir, dass ich doch lieber an die Kinder denken und nicht diese Frage stellen solle. Dann konnte sie nicht mehr weiter sprechen und verabschiedete sich von mir.
Am 7. Tag, am Montag konnte ich dann endlich mit meiner Mutter direkt sprechen und mich endlich von der Sorge befreien, dass ihr doch etwas zugestossen sei, was meine Geschwister mir vielleicht nicht sagen wollten. Meine Mutter erzählte mir, dass sie das Haus zu 100% und auch alles andere komplett verloren hätte, ebenso meine Schwester und meine Brüder, Haus, Autos, alles. Und nur Gott machte es möglich, dass sie noch leben.
Und meine Mutter erzählte mir weinend und auch enttäuscht, dass in den ersten zwei Tagen die überlebende Bevölkerung mit den eigenen Händen die Straßen von den Trümmern befreiten und auch in den Trümmern Leben retteten. Obwohl viele Opfer durch die Einheimischen in den ersten Stunden aus den Trümmern heraus geholt worden waren, gab es keine ärztliche Hilfe und sie mußten, endlich befreit, trotzdem sterben. Die Hilfe, die kam, kam erst später,…… zu spät für viele, die hätten gerettet werden können.
Das ist ein noch größerer Schmerz und ist sozusagen die 2. Katastrophe. Die internationale Hilfe hat begonnen, aber das Volk leidet Hunger und Durst. Und alles ist für mich so schlimm, weil ich auch schon sehr viel in politischer Menschenrechtsarbeit unterwegs gewesen bin. Ich weiß, wie hart die reale internationale Politik sein kann.Ich weiß, dass Haití der arme Teil der “vergessenen Insel” ist, Haiti, dass neben dem Urlaubsparadies Dominikanische Republik liegt. Diese Paradies bekommt über 5 Millionen Touristen aus aller Herren Länder pro Jahr auf die Insel.
Ich denke, die Welt wäre dort schon am ersten Tag vor Ort gewesen, um die Menschen zu retten.
Meine Mutter und meine Familie wohnen und wohnten zwei Kilometer vom Flughafen entfernt Richtung Stadtmitte von Port-au-Prince. Sie leben und überleben durch die Solidarität der Überlebenden und wissen auch, dass es schwer ist für die internationalen Helfer, über 3 Millionen Menschen gleichzeitig helfen zu müssen, die Opfer dieses verherrenden Erdbebens geworden sind. Da muss Gott schon helfen, sagen die Haitianer.”
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..... und hier wollen wir die deutlichen Worte unseres Bundespräsidenten Horst Köhler zum nachlesen aufschreiben, die er anlässlich der Diskussionsrunde mit Anne Will am Sonntag, den 17. Januar 2010 insbesondere an die deutsche Bevölkerung richtete. Aussagen, die allgemeine Gültigkeit haben, was die Bedeutung der partnerschaftlichen und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit in Zukunft angeht, hier am Beispiel des „Armenhauses“ Haiti.......
„....man ist ja sprachlos, man ist bestürzt, man findet nicht die richtigen Worte, wenn man dieses große Leid sieht, das Chaos, die andauernde Frage, wer lebt noch, wen können wir noch retten? Es ist eine fast unbeschreibliche Katastrophe, aber jetzt muss man sehen, was kann man noch machen, um die zu finden, die noch am Leben sind. Die, die durch ihre Verletzungen Hilfe benötigen, denen muss zunächst geholfen werden, sie zu retten und einfach schlicht Hilfe anbieten aus Menschlichkeit, das ist jetzt unsere Aufgabe.......
... Ich habe seit Beginn meiner ersten Amtszeit immer wieder gesagt, dass es für die Menschlichkeit auf unserer Welt entscheidend sein wird, wie wir mit dem Schicksal Afrikas umgehen. Was bedeutet das für Haiti? Auch das Land Haiti ist ein Beispiel dafür. Die Menschen in Haiti kamen als Sklaven aus Afrika vor 200 Jahren, herein gebracht durch französische Wirtschaftleute und auch durch Leute vor Ort. Die Sklaverei hat ein Haiti hinterlassen, das am Ende sich auch selber nicht geholfen hat, sich nicht aufgebaut hat. Wir haben hier auch eine moralische Verantwortung, schon aus der Geschichte her......
Wir sehen am Beispiel Haiti, dass es Länder gibt, immerhin fast 9 Millionen Menschen, Haitianer, die kein geregeltes Staatswesen aufgebaut haben. Wo es fast keine Infrastruktur gibt, für Krankenhäuser, für Katastrophenfälle. Dieser Staat hat nicht funktioniert und die Weltgemeinschaft hat das gewusst, hat das aber im Prinzip nicht so ernst genommen, weil es ein kleines Land ist. – Die Katastrophe, ich möchte das nicht falsch verstanden wissen, sollte uns aufwecken. Heute, gerade auch in der Globalisierung, kann auch in kleinen Ländern etwas passieren, das sich letztlich auswirkt auf uns alle. Was sollen wir unseren Kindern in den Schulen erzählen, in den Universitäten, wenn wir dieses anhaltende Leid, ob nun in Afrika oder in Haiti immer wieder hinnehmen und uns doch nicht fragen, ob wir mit unserer eigenen Politik, natürlich auch mit Ansprüchen an diese Länder selber, alles tun, dass sich dort Entwicklung abspielen kann, dass man die Armut bekämpft, dass man die Korruption bekämpft, da sind nämlich oft auch Leute dabei aus den reichen Ländern. Also nicht schimpfen auf alle möglichen Schuldigen, jetzt geht es erst einmal ums Helfen, und zwar Best möglich. Aber wenn das Notwendigste getan ist, an humanitärer Hilfe, dann auch die Gelegenheit nutzen oder den Weckruf zu nutzen, sich zu überlegen, ob wir, die reiche Welt, die ganze Welt, als Eine Welt, genug tut, um solchen Staaten bessere Hilfe zu geben......
....und als weiteren Schritt dann nachdenken, ob wir nicht nur mit Geld dort hingehen müssen, sondern auch mit Überlegungen, mit Vorschlägen, mit Gedanken, wie manEntwicklungshilfe, entwicklungspolitischeZusammenarbeit auch in Haiti so organisiert, dass wir eine bessere Aussicht haben, damit sich die Haitianer selbst besser helfen können.......“