Von Rita Althelmig
Kurz vor Ostern starteten elf Freundinnen und Freunde vom Aktionskreis Pater Beda zur knapp dreiwöchigen Reise nach Brasilien. Diese Reise war bereits mit dem
Geschäftsführer Udo Lohoff noch in den Büroräumen in Bevergern geplant. Als Lohoff, zur Bestürzung aller unerwartet Ende Januar verstarb. stellte sich die Frage, ob sie stattfinden kann. Nach
vielen Gesprächen auch mit der Ehefrau des Verstorbenen, Maria Lohoff, wurde beschlossen, gemäß Lohoffs Motto: „Wir müssen gemeinsam weiter machen. Immer wieder!" die Reise mit dem geplanten
Programm durchzuführen. Die Arbeit des Aktionskreises lebt von dem Dialog und den persönlichen Begegnungen mit seinen Partnerinnen und Partnern und den Menschen vor Ort. Die Projekte des
Aktionskreises treten für die Verbesserung der Lebensbedingungen benachteiligter Frauen, Kinder, Familien und Minderheiten in Brasilien ein. Die Zusammenarbeit beruht auf gegenseitigem Respekt,
kontinuierlichem Austausch und der gemeinsamen Vision für eine gerechtere Welt.
Die Reiseleitung übernahm Anna Maria Althelmig, die durch einen Freiwilligendienst und mehrere Besuche Brasilienerfahrung hat, Portugiesisch spricht und in die Planung involviert war. Unterstützt
wurde sie in Brasilien vor allem durch die Leitung des Netzwerk SoliVida. Gezeigt werden sollte mit dieser Reise auch, dass der Aktionskreis Pater Beda weiter machen wird.
Der Mitreisende Diakon Eckart Deitermann, der unterwegs für manchen Reisesegen verantwortlich war, blieb noch einige Tage länger in Brasilien, weil sich das Netzwerk SoliVida zur Konferenz traf. Er vertrat dort den Aktionskreis Pater Beda, der sonst durch Udo Lohoff vertreten wurde. Das Netzwerk SoliVida (Solidarität und Leben) ist durch Pater Bedas Wirken in Brasilien entstanden. 2012 brachte er die Menschen und Organisationen erstmalig zusammen. Die 34 Organisationen aus acht Bundesstaaten, vornehmlich im Nordosten Brasiliens (Bahía, Ceará, Maranhão, Pará, Paraíba, Pernambuco, Piauí) und in Rio de Janeiro arbeiten in den Bereichen Menschenrechte, Ernährungssicherheit, Einkommensförderung, Bildung, Gesundheit, Agrarökologie, Klimaschutz und soziale Gastronomie. Je nach Ausrichtung kooperieren die Partnerorganisationen mit Kleinbäuerinnen und -bauern, Kindern, Jugendlichen, Familien, Frauen sowie Indigenen und Quilombola -Gemeinden. Diese Menschen befinden sich in sozial vulnerablen Lebenssituationen, z.B. im Kampf um Land, in prekären Wohnsituationen oder Arbeitsplätzen im informellen Sektor. Sie sind Ernährungsunsicherheit, Kriminalität, Gewalt, eingeschränktem Zugang zu Bildung und Gesundheit sowie geringer sozialer, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe und Perspektivlosigkeit ausgesetzt. Einige dieser Organisationen konnte die Reisegruppe besuchen. Die Eindrücke werden die Mitfahrerinnen und Mitfahrer noch lange begleiten und daran erinnern, welche Meilensteine Beda und Lohoff gesetzt haben, immer unter dem Aspekt, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.
Von Düsseldorf über Lissabon war der erste Stopp in Recife wo Schwester Aurietta, die Leiterin des Projekts „Turma do Flau“, die Gruppe mit bunten Plakaten begrüßte: „Seid herzlich willkommen, Freunde!"
Bei Schwester Aurietta war das sogenannte zweite Wohnzimmer von Pater Beda, der im August 2015 verstarb. Auch Udo Lohoff hatte seit jungen Jahren hier sein zweites Zuhause. Beide wurden mit einer emotionalen Gedenkfeier gewürdigt, wie es auch an allen anderen besuchten Einrichtungen geschah. In Recife war die Reisegruppe einige Tage untergebracht und fuhr alle dortigen Institutionen an.
Das Haus der „Kleinen Propheten“ ist in der der Woche voller Kinder und Jugendlicher. Gründer Demetrius Demetrio, der als Streetworker begonnen hatte, betont den Grundsatz: „Wir müssen unser Wissen teilen, damit wir es vermehren.“ Dieser gilt in allen Projekten des Aktionskreis. Neben einer festen, sich regelmäßig treffenden Gruppe, gibt es auch offene Angebote, gemeinsame Mittagessen, einen Gemeinschaftsgarten auf der Dachterrasse, einen Computerraum und an den Samstagen finden Frauen einen Schutzraum. Sie arbeiten an Kunstprojekten und vernetzen sich darüber.
Auf der „Insel Gottes- Ilha de deus“ in Recife ist Fischfang für 90% der Bewohnerinnen und Bewohner Lebensgrundlage. Wo früher Pfahlbauten standen sind heute feste Häuser durch das Regierungsprogramm „minha casa minha vida“ (Mein Haus, mein Leben) entstanden. Der Wohnraum gibt Stabilität, doch die Lebensrealität bleibt prekär, denn Folgen der globalen Erwärmung sind spürbar. Frauen prägten und prägen das Gesicht der Insel. Ihnen zu Ehren heißt die einzige Brücke die auf die Insel führt „Sieg der Frauen.“ Frauen sind häufig Opfer (sexualisierter) Gewalt, pflegen Kinder, Kranke und Alte und tragen zum Familieneinkommen bei. Auf der Insel treffen sie sich in einem geschützten Raum, werden kreativ und unterstützen einander. Frauen setzen sich für ihre Rechte ein. Auf dieser Insel zeigt sich, dass „Hilfe zur Selbsthilfe“ keine Phrase, sondern Realität ist.
Viele Projekte begannen im Kleinen: Frauen oder Familien haben Kinder aufgenommen, um ihnen eine Mahlzeit zu bieten und sie vor den Gefahren der Straße zu bewahren unter der Voraussetzung des Schulbesuchs. So arbeiten im Netzwerk SoliVida heute alle Kinder- und Jugendfördereinrichtungen: Kinder finden in ihnen einen Ort, zusätzlich zum staatlichen Schulunterricht, wo sie sinnvoll beschäftigt werden, zum Beispiel mit kulturellen Tänzen, kreativen Aktivitäten und einem Gemeinschaftsgarten.
Das Thema Ernährung, Gemüseanbau, Gärtnern begegnete der Reisegruppe immer wieder. Mit der Turma do Flau wurde ein Stück Land besucht, wo Kindern und Jugendlichen nahegebracht wird, warum das Thema Ernährungssicherheit alle angeht. Die Realitäten Land-Stadt wurde erfahren und die Erkenntnis, dass man ein Stückchen Amazonien auf dem Teller hat, wenn man ein brasilianisches Steak isst. „Hoffnung durch Handeln“ nach diesem Leitspruch fassten die Besucherinnen und Besucher aus Deutschland bei einem Arbeitseinsatz mit an. Macaxeira wurde geerntet, Auberginen und Salat gepflanzt, Beete geharkt und Kompost verteilt.
Im Dom vom Brasilianischen Erzbischof Hélder Câmara wurde deutlich, warum er als einer der bedeutendsten Kämpfer für die Menschenrechte in Brasilien gilt, der unter anderem in aller Welt die Folterer und Mörder während der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 anprangerte.
Das nächste besuchte Partnerprojekt, AFG in Cabedelo, liegt den Püsselbürenern besonders am Herzen und wird seit der seit der Entstehung 2003 unterstützt. Auch von Bevergern gab es schon einige größere Spenden. In der AFG gab es ein Wiedersehen mit Anna Maria Althelmig, die hier als Freiwillige tätig war, noch immer den Kontakt hält und auf ihren Brasilienbesuchen immer Station macht. Hier wurde, wie in vielen anderen Instruktionen klar, wie sehr die Corona-Pandemie das Weiterkommen der erfolgreichen Arbeit behindert hat. Eine geplante Erweiterung konnte nicht vollzogen werden, stattdessen wurden Lebensmittelpakete in der Aktion „Wer Hunger hat kann nicht warten“ verteilt, auch um den Kontakt zu den Familien zu erhalten.
Auf kleinstem Raum arbeitetet die ACVIDA. Aus einer Kooperation mit Franziskanerpatern und der Kinderkatechese entstand die Idee einer permanenten Institution der Kinder- und Jugendförderung. Aus der ersten Anschubfinanzierung des Aktionskreis Pater Beda wurde die Küche gebaut. Es haben bereits dutzende Frauen Backkurse belegt, gelernt Kuchen kunstvoll zu dekorieren und das alles mit naturbelassenen Lebensmitteln. Das produzierte Gebäck wird verkauft und der Erlös in neues Material umgesetzt.
Pioniere der Ökolandwirtschaft lernte die Gruppe an der Universität João Pessoa kennen. Die Kleinbauern und -bäuerinnen der CPT (Comissao Pastoral da Terra – Landpastoral) stehen hier seit über 20 Jahren einmal wöchentlich mit Marktständen und köstlichen Bioprodukten und verkaufen ihren Ertrag an Studierende, Dozierende und Käuferinnen und Käufer aus den angrenzenden Bezirken. Der Markt dient mittlerweile als Vorbild für viele andere Märkte in der Region und in anderen Bundesländern. Auch in Campina Grande gab es einen Austausch mit der CPT. Deutlich wurde, wie wichtig überregionaler und internationaler Austausch ist. Die Bewegung der Landlosen hier in der Diozöse Campina Grande ist eine 'vergessene' Bewegung. Politikerinnen und Politiker, Mächtige, Lobbyistinnen und Lobbyisten interessieren sich erst dann für die Kleinbauern und -bäuerinnen, wenn diese zufällig ein Stück Land besitzen das reich an wertvollen Mineralien ist.
In Campina Grande besuchten die Deutschen die PHSA, eine anerkannte Schule mit einem hervorragenden Ruf. Die Anmeldeliste ist lang. Täglich gehen hier 284 Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren zur Schule. Es gibt für Kinder aus bedürftigen Familien vier Mahlzeiten. Weiter werden Schwangere über einen längeren Zeitraum pädagogisch und ärztlich betreut und sie können Kleidung für die Babys herstellen.
In der Casa da Crianca Joao Moura erwarten Betania, ihr Team und ein Teil der Kinder die Gruppe. 270 Kinder im Alter von 0 Jahren bis zur Einschulung werden hier betreut und versorgt. Die Eltern können somit ihrer Arbeit nachgehen. Die Einrichtung ist im Stadtteil sehr anerkannt. Es gibt eine lange Warteliste zur Aufnahme. Die Casa da Crinca wird ausschließlich über Spenden finanziert. Die Kinder werden altersgerecht in verschiedenen, hervorragend eingerichteten Räumen betreut. Es herrscht hier eine tolle Atmosphäre, alles ist sehr sauber und gut durchdacht. Außerdem gibt es einen großen Gartenbereich, denn der Anbau von Obst und Gemüse ist als Elternprojekt sehr wichtig. Die Ernte wird im Haus verarbeitet, der Überschuss in der Nachbarschaft verkauft.
Der Aufenthalt im Kloster Sao Antonio der Franziskaner in Campina Grande war angenehm nach der vorangegangenen Hitze. Es regnete und es gab eine kleine Pause um die vielen Eindrücke zu bewältigen. In dem Kloster nahm Frei Wellington die Gruppe mit offenen Armen auf, obwohl die Kar- und Ostertage für in der Gemeinde die arbeitsreichsten des Kirchenjahres sind.
In Juazeiro da Bahia wurde so viel gesehen, dass es unmöglich zusammenfassend dargestellt werden kann. Ein zentrales Thema in der Dürrezone des Nordosten Brasiliens ist Wasser bzw. der Umgang damit. Es gibt Regen. Der fällt nur sehr unterschiedlich. Das wichtige Thema ist das Auffangen, Wiederaufbereiten, und effektive Nutzen von Wasser. Das Recht auf sauberes, trinkbares Wasser und auch den Anschluss an die Kanalisation ist in der brasilianischen Gesetzgebung festgelegt. Umgesetzt wird das aber wenn überhaupt erst auf Druck der Menschen, unterstützender Institutionen und auch internationale Einflussnahme. Gezeigt wurde in den Schulungsgärten auch, wie wichtig die ursprüngliche Biodiversität der Caatinga ist, die optimal an die Bedingungen angepasst ist. Diese muss unbedingt erhalten werden. Fast 90% sind jedoch bereits zerstört oder stark bedroht. Das führt zu einer Versandung der Region. Ein „Nullabholzungsprogramm“ wie es das für den Amazonas gibt, besteht für die Caatinga nicht. In der Familienschule in Sobradinho werden Kinder entfernt von den Familien untergebracht. Nach dem Abschluss gehen sie zurück in die Gemeinden, verabschiedet sich mit einem Projekt, zugeschnitten auf die Gemeinde und können dort die Zukunft sichern. Einige studieren auch weiter, Medizin, Jura, Bauwesen, und anderes.
Ein besonderer Aufenthalt bot sich im Schulungszentrum Dom José Rodrigues von der Irpaa wo jungen Landwirtinnen und Landwirten der geographischen Lage angepasste Technologien beigebracht werden. Im Einklang mit dem semiariden Klima dieser Region soll ein nachhaltiges Leben ermöglicht werden. Der Niederschlag in dieser Region beschränkt sich auf wenige Wochen im Jahr, doch durch entsprechende Pflanzen und Vegetation kann das ganze Jahr landwirtschaftlich genutzt werden. Einher gehen damit kontextgerechte Schulbildung, Kommunikation mit Behörden und Institutionen unter Beachtung des traditionellen Wissens, der lokalen Kultur in Vielfalt und Harmonie im Zusammenleben. Das Verbleiben auf dem Lande ist den jungen Menschen dabei besonders wichtig. Die Irpaa, die dieses und andere Projekte umsetzt, erhält dafür auch die Unterstützung des Arbeitskreises Pater Beda.
Es wurde auch der größte Stausee Südamerikas besichtigt. Auf der Länge von 300 km wurde der Rio San Francisco aufgestaut, trotz großer Proteste und unter der Vertreibung indigener und ursprünglicher Siedlungen. Von der lokalen Landwirtschaft ist durch den Staudammbau nichts mehr geblieben. Nun ist nur Monokultur (meist Zuckerrohr) vorhanden.
Von Juazeiro da Bahia flog die Gruppe dann nach Rio de Janeiro und besuchte die angrenzende Diozöse Nova Iguacu. In verschiedenen Partnerorganisationen wird hier das BMZ- Projekt „ABC der Menschenrechte“ umgesetzt. Bestehende Strukturen werden genutzt und erweitert. Das bedeutet zum Beispiel, dass ein kleines Gelände inmitten einer Comunidade (früher Favela) zu einem Gemeinschaftsgarten wird.
In einem anderen Kinder- und Jugendförderinstitut gibt es bereits eine kleine Backküche, in dieser können nun Kurse zu gesunder Ernährung über das ABC-Projekt angeboten werden. In einem Garten beim Pfarrheim werden für all diese Nutzgärten und Projektgruppen die Pflanzen angezüchtet. Neben Kräutern und Salat auch Obstbäume, Aubergine, Tomaten, Kürbis, Möhren usw.
Zum Abschluss wurde das Quilombo Santa Justina und Santa Izabel auf ihrem Versammlungsplatz, der auch mit der Hilfe des Aktionskreis entstanden ist, besucht. Der Weg dorthin war lang und steinig. Aber am Ende lag ein Paradies, mit einer langen, schmerzhaften Geschichte, deren Aufarbeitung andauert. Das Wort Quilombo stammt aus den Bantu-Sprachen Kikongo und Kimbundu und bedeutet Wohnsiedlung. Als Quilombo bezeichnete man zur Zeit der portugiesischen Herrschaft eine Niederlassung geflohener Schwarzer versklavter Menschen in Brasilien.
Das Institut unterstützt den Kampf um Land, das durch Generationen von Vorfahren bewirtschaftet wurde, und brasilianischen Großgrundbesitzern zu extremen Reichtümern verholfen hat. Sie helfen bei den schwierigen und langwierigen Prozessen der Anerkennung.
Eine besondere Freude machten die jüngsten Mitreisenden aus Stadtlohn, Daniel und Linus Frechen dem Aktionskreis Pater Beda mit einer Spende.
Linus ist in der Band Drumpets, sie sammelten zu Weihnachten mit Konzerten auf verschiedenen Weihnachtsmärkten und konnten einen Scheck über 1200 Euro überreichen.
Foto Rita Althelmig: Die Resiegruppe
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