Für viele Menschen – nicht nur in der Grafschaft – ist es ein Schock, als Pater Beda im August 2015 stirbt. Der charismatische Geistliche aus dem Franziskanerkloster Bardel ist untrennbar mit dem großen Hilfsprojekt „Aktionskreis Pater Beda“ verbunden. Beda, wie er kurz genannt wird, ist der Initiator und Motor der Brasilienhilfe. Jahrzehntelang sammelt er seit den 1960er-Jahren zweimal jährlich in der Grafschaft und vielen anderen Regionen Altpapier und Altkleider. Viele seiner Projekte in Brasilien werden durch den Erlös der Sammlungen finanziert.
Pater Beda ist ein Anwalt der Ärmsten in Brasilien. Geboren wird er 1934 als Linus Vickermann im Sauerland. Er tritt 1956 dem Orden der Franziskaner im Kloster Bardel bei. Dieses ist ein Aussendungskloster für Brasilien. In Brasilien studiert er Philosophie und Theologie und wird 1962 zum Priester geweiht. 1964 kehrt Pater Beda nach Deutschland zurück, er soll im Auftrag des Konvents „Brücken bauen“. So entsteht der „Aktionskreis Pater Beda für Entwicklungshilfe“. Der eigentliche Verein gründet sich erst 1984.
Grenzenlose Armut und unwürdige Unterkünfte gehören zu Brasilien. Oft nur durch eine Straße von den Stadtvierteln der Reichen getrennt. Foto: Aktionskreis Pater Beda
In Deutschland hält Pater Beda Vorträge, geht in Schulen, initiiert Hilfsprojekte. In Brasilien ist er der Motor der örtlichen Hilfe, er packt mit an, wann und wo immer es notwendig ist. Sein Engagement, sein selbstloser Einsatz und seine Begeisterungsfähigkeit machen ihn in Deutschland und Brasilien zu einem bekannten Mann, dem sich schnell alle Türen öffnen. Sein Ziel ist jedoch immer die Hilfe zur Selbsthilfe, betont Udo Lohoff, Geschäftsführer des Aktionskreises im Gespräch mit den GN – „auch wenn das nach einer abgedroschenen Phrase klingt“, wie er sagt: „Pater Beda hatte die Fähigkeiten, jeden für seine Arbeit zu begeistern – vom Schüler bis zum Unternehmer. Das zeichnete ihn sowohl in Deutschland als auch in Brasilien aus.“
Es gehörte
zu Bedas Leistung, immer neue Leute für seine Sache begeistern zu können, die auch eigenständig weitermachen.
Udo Lohoff, Geschäftsführer Aktionskreis Pater Beda
Als Pater Beda im Alter von 80 Jahren stirbt, befürchten viele, dass die Brasilienhilfe endet. Doch dem ist nicht so. Der Pater hat vorgesorgt und sowohl in Deutschland als auch in Brasilien Strukturen geschaffen, die aus sich heraus der Brasilienhilfe weiter Auftrieb verschaffen. „Es gehörte zu Bedas Leistung, immer neue Leute für seine Sache begeistern zu können, die auch eigenständig weitermachen“, sagt Lohoff.
Auf engsten Raum leben drei Generationen in einem Raum zusammen. Die Hütte hat zwar einen weiteren Raum, da lebt jedoch eine weitere Familie. Foto: Aktionskreis Pater Beda
Der Verein in Deutschland mit seinen rund 300 Mitgliedern steht auf einem soliden Fundament. Personell mit Vorstand, erweitertem Vorstand und einem hauptamtlichen Geschäftsführer ausgestattet, lassen sich die zahlreichen Projekte meistern. Während die Sammlung von Altpapier mit Einführung der „Blauen Tonne“ nach und nach eingestellt wird, werden weiterhin Textilien gesammelt. Die Einnahmenstruktur hat sich im Laufe der Zeit jedoch gewandelt. Kommt in den ersten Jahren das meiste Geld durch Aktionen wie die jährlichen Altpapier- und Altkleidersammlungen zusammen, sind es heute Spenden, die den Großteil der Gelder ausmachen, erklärt Lohoff: „Durch den Tod Pater Bedas gab es keinen Bruch, alle Hilfsaktionen gingen wie geplant weiter.“
Auch in Brasilien haben Pater Beda und der Aktionskreis für neue und feste Strukturen gesorgt. Gab es bis in die 2000er-Jahre hinein viele Einzelgruppen und einzelne Projekte, die von Deutschland aus betreut wurden, so hat der Verein diese 2012 vor Ort vernetzt. In dem Netzwerk „Rede SoliVida – Solidarität und Leben“ sind alle bislang 33 Partner des Aktionskreises Pater Beda in Brasilien zusammengeschlossen. „Das ist ein Gewinn für alle“, sagt Lohoff, „die Partner profitieren voneinander, es haben sich großartige Zusammenarbeiten ergeben.
Die Hütten stehen auf Stelzen, Abwasser und Abfälle werden direkt darunter entsorgt. Foto: Aktionskreis Pater Beda
Zentrum der Hilfe des Aktionskreises ist der Nordosten von Brasilien, ausgehend von der nordostbrasilianischen Franziskanerprovinz des Heiligen Antonius in Recife, der Hauptstadt des Bundesstaates Pernambuco. Der Aktionskreis arbeitet bei vielen Projekten mit dem deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zusammen. Durch eine Spende für solche Projekte werde jeder Euro durch das BMZ vervierfacht, erklärt Lohoff: „Aus einem Euro werden vier.“ Die Hauptschwerpunkte der Hilfsprojekte in Brasilen liegen in der ländlichen Entwicklung der Kleinbauern und der beruflichen Bildung junger Menschen. Auch das Wohl der indigenen Gruppen liegt dem Verein am Herzen. Entgegen der offiziellen Rechtsprechung werden diese Menschen nach wie vor unterdrückt und zurückgedrängt.
Die Menschen hungern neben vollen Feldern und vollen Supermärkten
Udo Lohoff, Geschäftsführer Aktionskreis Pater Beda
Nach außen hin präsentiert sich Brasilien als modernes Land, „doch rund die Hälfte der 200 Millionen Einwohner nimmt nicht an dem Fortschritt teil“, erläutert Lohoff, „die Menschen hungern neben vollen Feldern und vollen Supermärkten.“ Es gibt zwei Brasilien: Diese Äußerung von Pater Beda bestätigt auch Lohoff: „Die Kluft zwischen Arm und Reich wird wieder größer.“ Schuld daran sei nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch das politische System, das seit Jahren Minderheiten und Randgruppen unterdrücke und vernachlässige.
Ein Shopping-Center in Recife. Hier gibt es alles, was der Mensch sich wünscht – doch nur wenige Meter weiter leben die Menschen in großer Armut. Foto: Aktionskreis Pater Beda
Die Corona-Pandemie verstärkt die Probleme noch. Die Kleinbauern können ihre Erzeugnisse nicht auf den Märkten verkaufen, die Menschen müssen vielerorts hungern. Der Aktionskreis und viele andere Nichtregierungs-organisationen kaufen die Ernte der Bauern auf und verteilen dann Essenspakete an die Bevölkerung. So kann wenigstens teilweise die große Not gelindert werden. „Die Armut und der Hunger sind all gegenwärtig“, schildert Lohoff seine Eindrücke nach seiner jüngsten Reise mit einer kleinen Delegation des Aktionskreises nach Brasilien.
Die Partner vor Ort hätten sich während der Corona-Pandemie durch die solidarische Unterstützung und die Spenden zu Verteilzentren von Lebensmitteln und Hygieneartikeln entwickelt, erklärt Lohoff: „Wir konnten uns an verschiedenen Stellen beim Verteilen direkt beteiligen.“ Dass dies so ablaufen müsse, sei ein politischer Skandal.
„In diesem Jahr sind Wahlen in Brasilien und wir sensibilisieren die Menschen bei Treffen, darauf zu achten, wer die wirklichen Repräsentanten in den Parlamenten sein sollen und auch wer Präsident oder Präsidentin werden soll“, berichtet Lohoff. Neben praktischer Hilfe steht daher die „Bewusstseinsarbeit durch Zuhören und Einfordern von Eigenverantwortung immer mehr im Vordergrund unserer Arbeit“.
Die größten Leidtragenden sind die Kinder. Hunger und Entbehrungen prägen ihr Leben. Oft bleibt ihnen der Weg zu einer Schulbildung verschlossen. Foto: Aktionskreis Pater Beda
Wie groß die Armut sei, sehe man erst, wenn man hinter die Kulissen schaut, sagt er. Denn vordergründig sehe vieles gar nicht so schlimm aus. „Doch hinter einer Plastikfolie, die als Tür dient, wohnen auf drei mal drei Meter Fläche plötzlich fünf Menschen – und in einem gleichgroßen Raum dahinter noch mal so viele“, erzählt Lohoff. Einige Hundert Meter weiter leben und arbeiten Menschen auf einer Müllkippe: „Sie verdienen dort ihren Unterhalt mit dem Müll der Gesellschaft.
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Der Aktionskreis informiert über seine Website www.pater-beda.de regelmäßig über bestehende und zukünftige Projekte. Wer den „Aktionskreis Pater Beda“ finanziell unterstützen möchten, kann seine Spende auf das Spendenkonto überweisen: DKM-Darlehnskasse Münster, IBAN: DE51 4006 0265 0022 4442 00, BIC: GENODEM1DKM.
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