Solidarität in Coronazeiten –
Erste Onlinekonferenz des Netzwerkes Solivida
„Wer Hunger hat kann nicht warten“ – von der Soforthilfe zu Strategien eines nachhaltigen Umgangs mit den gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Coronakrise.
Initiiert durch den Aktionskreis Pater Beda und den Präsidenten des Netzwerkes Solivida, Antonio Cleides fand am Ostermontag (13.04.2020) die erste Online-Videokonferenz des Netzwerkes statt, wobei sich 45 Personen/Bildschirme verbunden hatten. Ausgangspunkt für dieses besondere Treffen ist die weltweite Ausbreitung des Coronavirus mit seinen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Als Ziel nahmen sich unsere Partner die ganzheitliche Betrachtung der aktuellen Situation in Brasilien, die Umsetzung der bisherigen Soforthilfe und die Planung gemeinsamer weiterer Aktionen und Strategien im langfristigen Umgang der Coronakrise und ihren Konsequenzen.
In den vergangenen Tagen gelang es dem Aktionskreis Pater Beda bereits mit einer Spendenkampagne zur Beschaffung von Lebensmittelpaketen eine Soforthilfe in der Höhe von 50.000 Euro an die Partnerorganisationen in Brasilien zu übermitteln. Über die sofortige Bereitschaft und den unermüdlichen Einsatz unserer Partnerorganisationen konnten bisher bereits konkret 23 Organisationen begünstigt und Lebensmittelpakete an bedürftige Familien verteilt werden.
Unsere Partner haben direkt mit Beginn der Konsequenzen zur Eindämmung des Coronavirus auf die enormen Herausforderungen für die Familien in der Umgebung hingewiesen. In Brasilien bedeutet #stayhome in Zeiten der Quarantäne nicht arbeiten gehen zu können und somit nicht über Geld für Miete, Rechnungen und insbesondere Lebensmittel, Wasser und Hygieneartikel zu verfügen. Auf durchgreifende staatliche Hilfemaßnahmen wartet die Bevölkerung bislang vergeblich.
Als dringendste Maßnahme sehen all unsere Partner die Bekämpfung von Hunger. Zur Vereinigung der Aktionen unserer mittlerweile 33 Partnerorganisationen in Brasilien startet mit dem Auftakt er heutigen Konferenz die übergreifende Kampagne „Wer Hunger hat, kann nicht warten“. Zu den Lebensmittelpaketen, den sogenannten „cestas basicas“ gehören Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Maismehl, Mehl, Zucker, Eier, Öl. Zudem bemühen die Organisationen sich um die Verteilung von Hygieneartikeln. So wurde in einigen Organisationen bereits die Herstellung und Verteilung von Mundschutzmasken begonnen.
Innerhalb der heutigen Onlinekonferenz tauschten unsere Partner sich zu den bisherigen Aktionen aus und berichteten von den jeweiligen Besonderheiten im Projektumfeld und zu Einzelschicksalen. In vielen Gemeinden sind die Familien abhängig von informeller Arbeit, die in der aktuellen Zeit nicht mehr durchgeführt werden kann oder das Risiko der raschen Verbreitung des Virus mit sich bringt. Zudem müssen auch die Kinder und Jugendlichen zuhause bleiben, die unterhalb der Woche in den Projekten unserer Partnerorganisationen neben Bildungsangeboten auch mit Mahlzeiten versorgt werden. Dies häufig in einem Umfeld, das auch ohne die Coronakrise von Armut, Kriminalität und mangelnder Infrastruktur gekennzeichnet ist und in dem durch die neuen Entwicklungen ein massiver Druck entsteht.
Zur Einschätzung der Bedarfe und raschen Identifikation von Familien in Risikosituationen greifen unsere Partner auf Onlineumfragen sowie Zusammenarbeit mit Jugendämtern zurück. Viele unserer Partner erhalten zahlreiche Anfragen per Telefon, über soziale Netzwerke und E-Mail und erfahren so von der Verzweiflung der Familien. Verzweiflung hinsichtlich der Beschaffung der täglichen Nahrung, der Situation der Isolation im häufig beengten Wohnraum und dem Umgang mit häuslicher Gewalt.
Neben der Nutzung der Soforthilfe aus Deutschland haben viele Partnerorganisationen bereits begonnen, lokale Unterstützung zu suchen und Kampagnen vor Ort durchzuführen, um Spenden in Form von Lebensmitteln, Hygieneartikeln sowie finanzielle Unterstützung zu erhalten. Hierbei wurden z.B. Supermärkte, Firmen und Privatpersonen angesprochen. Als wichtiges Ziel wurde von allen Partnern herausgestellt, Kontakt zu politischen Vertretern aufzunehmen und die Koordination der Kampagnen in Zusammenarbeit mit den Kommunen umzusetzen. Dies nicht nur in Bezug auf die Verteilung von Lebensmitteln, sondern auch in der umfassenden Sensibilisierung der Bevölkerung, nicht den Aussagen des Präsidenten zu folgen und angemessene Hygienemaßnahmen durchzuführen, um sich selbst und die gesamte brasilianische Gesellschaft zu schützen.
Parallel zur Betrachtung der Situation in den Armenvierteln der Städte wurde auch die Situation auf dem Land beleuchtet. In ländlichen Regionen können die Kleinbauern zwar auf ausreichend Lebensmittel zurückgreifen. Durch die Schließung der regelmäßigen ländlichen Märkte können Lebensmittel nun nicht mehr verkauft werden, sodass Einkommensverluste entstehen aber insbesondere vorhandene Lebensmittel nicht in die Regionen gelangen, in denen der Hunger sich ausbreitet.
Unsere Partner, die in der Landpastoral tätig sind, stehen bereits in engen Kontakt zu landwirtschaftlichen Netzwerken und zu Regierungsvertretern, um die Beschaffung und Verteilung von landwirtschaftlichen Produkten zu organisieren. Die konkreten Erfahrungen aus dem Bundesstaat Paraiba wurden modellhaft für die weiteren Organisationen in den weiteren Bundesstaaten vorgestellt.
Zentrales Anliegen für all unsere Partner ist neben dem großen Dank an die Unterstützung aus Deutschland und Brasilien für die Soforthilfe die Frage danach, wie sich die Situation in Brasilien entwickeln wird. Die Sorge ist groß, den Nachfragen und Bedürfnissen der Familien nicht gerecht zu werden:
„Wie lange müssen wir durchhalten? Wie können wir durchhalten? Wer ist jetzt bereit, Verantwortung zu übernehmen? Mit welchen Partnern können wir hilfreiche Kooperationen eingehen? Aktuell befinden wir uns in einer Situation mit viel Solidarität. Aber auch in einer Situation großer Abhängigkeit, in der wir Nichtregierungsorganisationen essentielle Aufgaben der Regierung unseres Landes übernehmen. Wir machen das, weil dir die Augen nicht verschließen können und uns verantwortlich fühlen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Situation sich grundlegend ändert!“
Zur Planung konkreter Maßnahmen wurden weitere Onlinekonferenzen innerhalb der Bundesstaaten vereinbart, um dort mögliche Kooperationen zur Bearbeitung der Themen Hunger, Rettung der ländlichen Lebensmittelproduktion, Isolation und häusliche Gewalt sowie Hygienemaßnahmen zu bearbeiten und die Verantwortlichen aus Politik, Gesellschaft und Kirche einzubeziehen.
Redaktion und Text: Theresa Rottmann, Münster
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