Der Besuch in Campo Formoso, Bahia bei unseren Partnern ACRA, CARIAM und Lideração bleibt aufwühlend und erkenntnisreich. Einmal mehr lässt sich feststellen, dass der direkte Kontakt und das gemeinsame Gespräch mit den Menschen vor Ort unersetzbar für unsere Arbeit sind.
In den neuen Räumen der Organisation ACRA – „Kulturverein Wurzeln und Flügel“ sprechen wir mit Robson und Team über die Veränderungen in den letzten beiden Jahren durch das Projekt Märkte der Möglichkeiten. Neben Investitionen in Equipment wie Ton, Licht und eine mobile Bühne wurden Kurse in den Bereichen Tanz, Gesang und Tontechnik durchgeführt. Darauf aufbauend wurden bildungspolitische Theaterstücke mit den Themen Umweltschutz, Landflucht und übergreifenden gesellschaftlichen Problemen entwickelt und präsentiert. Als Fazit lässt sich sagen, dass die Organisation über das Projekt neben Wissenszuwachs an Eigenständigkeit und Einkommensmöglichkeiten gewonnen hat. Zudem hat das Team Ressourcen gewonnen, sich um andere Themen und die Weiterentwicklung der Organisation zu kümmern.
Im Gespräch mit dem Team sowie Kindern und Jugendlichen aus den verschiedenen Gruppen wie Theater, Tanz, Kapelle und Diskussionsrunden erfahren wir mehr über die Bedeutung und Auswirkung der Organisation und ihrer Projekte im Leben des Einzelnen. In den Äußerungen werden Gefühle wie Geborgenheit, Sicherheit, Verlässlichkeit, Spaß und Freude deutlich. Der Zusammenhalt in der Gruppe zeigte sich uns als Besuchern nicht zuletzt über die große Offenheit in den Gesprächsbeiträgen.
Über das Theater als spielerisches Instrument werden verschiedenste Themen bearbeitet. Insbesondere solche, die in der eigenen Familie häufig nur schwer besprochen werden können. Mit viel Sensibilität und Geduld befasst sich das Team mit den Wünschen und Sorgen der Kinder und Jugendlichen, es geht um Vorurteile, Rassismus, berufliche Entwicklung, Sexualität, psychische Belastungen und unzählige weitere Themen. Gerade die Jugendlichen erhalten den Raum, eine eigene Meinung zu bilden, Werte zu entwickeln und so bessere Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen.
ACRA ist heute für über 120 Kinder aus sieben Stadtvierteln ein Ort des Vertrauens, eine selbst gewählte Familie, in der sich Kinder und Jugendliche öffnen, selbst entdecken, kennenlernen und ausdrücken können. Selbst über die eigne Verletzlichkeit zu sprechen und einen selbstbewussten Umgang damit zu erlernen ist in diesem Rahmen möglich. Uns ist direkt klar, dass diese Sicherheit durch kein Projekt der Welt, sondern nur durch die verantwortungsvollen und engagierten Menschen vor Ort geschaffen werden kann.
Weitere Themen die uns beeindrucken, ist die Zusammenarbeit mit den Eltern. Der Aufbau einer Musikkappelle mit dem schrittweisen Erwerb von Instrumenten aus zweiter Hand und anschließender eigener Reparatur. Im Kurs für Tontechnik hat Mara als einzige Frau mit ihren Fähigkeiten die männlichen Teilnehmer in den Schatten gestellt und verdient inzwischen einen zusätzlichen Lohn bei Events. Ein junger Mann, der Schauspieler werden möchte, hat den Mut gefunden sich für ein Casting zu melden und nebenbei durch die Teilnahme im Projekt seine schulischen Leistungen verbessert und positive Rückmeldungen zu seinem Sozialverhalten bekommen. Die älteren Kinder und Jugendlichen engagieren sich ganz selbstverständlich in der Betreuung und Unterstützung jüngerer Teilnehmer.
Herzzerreißend ist zu hören, wie sehr die Organisation von denjenigen vermisst wird, die aufgrund eines Studiums in eine andere Stadt gezogen sind und nur noch selten die Gelegenheit haben, sich einzubringen. ACRA wird als Wurzel beschrieben, in der man seine Talente entdeckt hat, wo die Talente wertgeschätzt und gefördert wurden. Eine Wurzel, die Flügel verleiht die eigenen Träume zu verwirklichen. Die ausgedrückte Dankbarkeit ist ein Gänsehautmoment!
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